Farbfelder bewirken Stille, Farbe.Dimensionen entstehen


Marlene Nix gestaltet schwebende Flächen mit feinsten Buntstift-Strichen und samtenen Pastellkreiden in unterschiedlichen Papierformaten.

Zur Eröffnungsrede von Stefan Tolksdorf

rotes Bild


Zur Malerei von Marlene Nix

Es gibt Bilder, die atmen
Die Arbeiten der Kölner Malerin Marlene Nix zählen zweifellos dazu: Warm glühende, samtige Bilder in Pastell und Acryl, feinste Farbzeichnungen, originelle Radierungen und Fotographien.

Für diese Künstlerin war der Umgang mit Stift und Farbe ein meditativer Akt. Ein Prozess der Annäherung an jenen sprachlich nicht mehr fassbaren Urgrund der Kreativität, der mitunter aufs sakrale Terrain verweist. Nicht umsonst haben einige der hier gezeigten Bilder aus dem Nachlass die Anmutung von matt leuchtenden Kirchenfenstern.

Von einer schweren Krankheit genesen, hatte sich die Künstlerin zu Beginn der neunziger Jahren von ihren gegenständlichen Anfängen gelöst und einen - gemessen an den internationalen Zeitströmungen - einen leicht verspäteten Anschluss an die konkrete Kunst gefunden.

Auffällig ist hierbei, dass sie nicht der konstruktiv-geometrischer Richtung folgt. Das quadratische Bildraster genügt ihr, um Farben in subtiles Wechselspiel zu setzen, ihre Leuchtkraft durch Schichtungen und Modulationen zu steigern. Die koloristische Dynamik überwiegt bei Weitem die Liebe zur Geometrie. Farbe als Vehikel zum Geistigen, Erlebnisträger und Motivator - "Lebensmittel". Diese existentielle Dimension ist den meisten dieser Bilder eingeschrieben.

Erinnern wir uns, dass die großen Väter der gegenstandslosen Malerei, ob Kandinsky, Malewitsch, Mondrian allesamt spirituell Suchende waren. Sie alle waren überzeugt von einer geistigen Wirklichkeit jenseits der Materie


Marlene Nix variiert in ihren Bildern das Motiv des Fensters, als Grundraster des Sehens. In der Geschichte dieses Motivs haben sich zwei Grund-Ansichten herausgebildet:
Das Bild ist selbst ein - sich immer stärker öffnendes - Fenster zur Welt.

Diese seit Leon Battista Alberti im frühen 15. Jahrhundert die Malerei des Okzident beherrschende Vorstellung förderte eine größtmögliche Exaktheit und die Tendenz zum Abbildrealismus. Historisch weit früher, doch ebenso nachhaltig:

Die Idee des gemalten Bildes als Vergegenwärtigung einer das Menschliche transzendierenden Sphäre, welche exemplarisch in der Ikone Gestalt gewann - verstanden als Fenster zum Jenseits. Beide Positionen fanden in der Klassischen Moderne zusammen.

Der Fensterrahmen wird dabei zum Mittel eines prinzipiellen Neu-Sehens jenseits von religiöser Tradition, nackter Empirie und idealistisch stilisierter beziehungsweise restlos subjektivierter Welt. Es gibt kein Davor mehr, kein Dahinter.

Das Bild ist primärer Träger von Farbmaterie, ein Ding eigener Ordnung, das mitunter die Grenze zwischen Subjekt und Objekt in Frage zu stellen vermag. Farbfelder, die ihren Rahmen sprengen, sich auf den Betrachter zubewegen, vor seinem Auge oszillieren, den Blick ganz vereinnahmend. Denken wir an die soghafte Wirkung der Farbkissen eines Gotthard Graubner und das sanfte Pulsieren der schwebenden Farbfelder Marc Rothkos.

Bei Marlene Nix bleiben die Farben im Raster, wenn auch locker, eingespannt, doch gewinnen sie in der Schichtung eine materielle Dichte und Leuchtkraft, die sich wohltuend unaufdringlich auf den Betrachter überträgt.

Dabei vermeidet die Malerin laute Kontraste und Konfrontationen, bewegt sich vielmehr im chromatischen Spektrum satter Rot, Blau und Violett-Töne, nicht ohne vereinzelt lichte Akzente zu setzen, wie ein hell strahlendes Grasgrün. Solche Modulationen erinnern an die Versuche des Paul Klees mit Farbrelationen Musik-analoge Wirkungen zu erzeugen.

Eine farbrhythmische Wirkung ist auch den Bildern von Marlene Nix nicht abzusprechen. Vor allem den Willen zur farblichen Harmonie. Nicht allein das Raster, auch die vertikale Reihung von Farbstäben wird dabei zum Kompositionsprinzip.

 Die Quadratur erweist sich dabei nie als starr - die Farbfelder sind nicht scharfkantig gegen einander abgegrenzt, scheinen vielmehr an den Seiten leicht auszustäuben. Das Farbfeld als sanft atmende Membran.

Eine andere, eher wimmelnde Bewegung suggerieren dagegen die großformatigen Strichballungen und Liniengeflechte, die an die vibrierenden Gespinste des in Basel lebenden Amerikaners Marc Tobey erinnern - gleichfalls ein entschieden spiritueller Künstler. Wie er komponierte Marlene Nix akribische Farbzeichnungen von filigraner Leichtigkeit mit teils kaligraphischem Schwung.

Den bewegte Duktus der mit Pastellstiften gestalteten Großformate, sämtlich All-overs, übertrug die Künstlerin auch in kleine Formate - Quadraturen, in denen ein mitunter textil anmutendes Buntstiftgewebe vibriert. Arbeiten, die, geschaffen in größter innerer Gefasstheit, eine eben solche Geisteshaltung vom Betrachter verlangen. Bilder, die zur Ruhe zwingen, besser: verführen. In verführerischer Zartheit und Fragilität.

An dieser Stelle ist daran zu erinnern, dass Marlene Nix ihre Inspirationen vor allem auf Reisen empfing. In der Ferne entstanden auch diese Kleinformate, die so gut ins Reisegepäck passten. Wie schreibt sie doch über den Sinn und Anspruch dieser Reisen:
"Es ging um das Sehen der Schönheit der Erde, um das Erleben des Reichtums an Formen der Natur, wie der menschlichen Lebensweisen.

Es ging um die Erfahrung anderer kultureller Entwicklungen, Denk- und Vorstellungsweisen und nicht zuletzt um die kritische Auseinandersetzung mit Ist-Zusta?nden der Zivilisation zuhause und andernorts." Insbesondere vom Geist der japanischen Zen-Kultur fühlte sich die Künstlerin stark angesprochen, so dass sie bald selbst SaZen zu praktizieren begann.

Etwas von der Stille und Gefasstheit der Seshins wohnt vor allem den kleinen Arbeiten inne. Marlene Nix, die jahrelange engagierte Kunstpädagogin, war auch eine vielseitig interessierte Künstlerin. Sie beherrschte, wie sie an zwei Beispielen sehen, meisterhaft die Technik der Radierung und sie liebte es, mit der Fotographie zu experimentieren.

Bei diesen Techniken offenbart sich ihre Liebe zum Körper-Spiel und Experiment: Hände wie Perlhühner, zarte Gebinde wie Monumentalfiguren, Muscheln wie Masken.

Ein poetisches Changieren zwischen Sein und Schein, Körper und Imagination. Gerade in diesen Fotographie offenbaret sich der Erfindungsreichtum und die Phantasie dieser zu früh verstorbenen Künstlerin, ihre sonst kaum noch erkennbare Liebe zum Ornament.

Erst nach Krankheit und Frühpensionierung stellt sich eine Strenge ein, die indes nichts von Statik hat. Bilder als lebendige Organismen und Mittel zur Meditation - das war ihr Credo. "Die Farbe als geistige Dimension, die in Entsprechung gebrachte werden kann und will - zu Erfahrungen, die sich sprachlicher wie gegenständlicher Darstellung entziehen." Sie selbst hat ihre Arbeit als beglückendes Geschenk empfunden.

Möge etwas davon auf Sie, die Betrachter übergehen, gemäß der Worten ihres großen Vorbilds Barnett Newman: "Das Schauen von Farbe ist ein Weg zu metaphysischem Erleben". dazu:

Warm glühende, samtige Bilder in Pastell und Acryl, feinste Farbzeichnungen, originelle Radierungen und Fotographien die ihre Inspiration durch die Natur nicht verleugnen. Für diese Künstlerin war der Umgang mit Stift und Farbe ein Akt der Meditation - Annäherung an jenen sprachlich nicht mehr erfassbaren Urgrund der Kreativität, der für sie aufs religiöse Terrain verweist.

Nicht umsonst haben einige der hier gezeigten Bilder aus dem Nachlass die Anmutung matt leuchtender Kirchenfenstern. Von einer schweren Krankheit genesen, hatte sich die Künstlerin zu Beginn der neunziger Jahren von ihren gegenständlichen Anfängen gelöst und einen - gemessen an den internationalen Zeitströmungen - leicht verspäteten Anschluss an die konkrete Kunst gefunden. Auffällig ist, dass sie nicht der konstruktiv-geometrischer Richtung folgt.

Das quadratische Bildraster genügt, um Farben in subtiles Wechselspiel zu setzen, ihre Leuchtkraft durch Schichtungen und Modulationen zu steigern. Diese koloristische Dynamik überwiegt bei Weitem die Liebe zur Geometrie. Farbe als Vehikel zum Geistigen: Erlebnisträger, Motivator - "Lebensmittel".

Diese existentielle Dimension ist den meisten dieser Bilder eingeschrieben. Erinnern wir uns, dass die großen Väter der gegenstandslosen Malerei, ob Kandinsky, Malewitsch, Mondrian allesamt spirituell orientiert waren,überzeugt von einer abstrakten geistigen Wirklichkeit hinter der materiellen Welt. Eine den reinen Formen und Farben verpflichtete Kunst sahen sie als Beleg und Vorschein jener Ordnung - durchaus vergleichbar mit der Vorstellung mittelalterlicher Glaskünstler, die bunten Fenstern der Kathedralen gäben einen Vorschein des Himmlischen Jerusalem.

Ich betone das, weil Marlene Nix in ihren Bildern das Motiv des Fensters variiert - verstanden als Grundraster des Sehens. In der Geschichte dieses Motivs haben sich zwei Grund-Ansichten ausgeprägt: Das Bild ist selbst ein - sich immer mehr öffnendes - Fenster zur Welt.

Diese seit Leon Battista Alberti im frühen 15. Jahrhundert die Malerei des Okzident beherrschende Vorstellung förderte eine größtmögliche Exaktheit und die Tendenz zum Abbildrealismus - wird doch das Fenster schließlich zur Linse und von dieser schließlich ganz ersetzt. Weit früher, doch ebenso nachhaltig wirkt die Idee des gemalten Bildes zum Zwecke der Vergegenwärtigung einer das Menschliche transzendierenden Sphäre - exemplarisch in der Ikone, verstanden als Fenster in die 'andere Welt'.

Beide Positionen fanden in der Klassischen Moderne zusammen. Der Fensterrahmen geriet dabei zum Initial eines prinzipiellen Neu-Sehens jenseits von religiöser Tradition, nackter Empirie und idealistisch stilisierter oder auch restlos subjektivierter Welt. Es gibt kein Davor mehr, kein Dahinter. Das Bild ist primär Träger von Farbmaterie, ein Ding eigener Ordnung, das mitunter die Grenze zwischen Subjekt und Objekt in Frage stellt.. Farbfelder, die ihren Rahmen sprengen, sich auf den Betrachter zubewegen, vor seinem Auge oszillieren, den Blick vereinnahmen. Denken wir an die soghafte Wirkung der Farbkissen eines Gotthard Graubner und das sanfte Pulsieren der schwebenden Farbfelder Marc Rothkos.

Bei Marlene Nix bleiben die Farben im Raster, wenn auch nur locker, eingespannt. In der Schichtung von Pigmenten und die wechselseitige Steigerung gewinnen sie eine materielle Dichte und Leuchtkraft, die sich wohltuend unaufdringlich auf den Betrachter überträgt.

Dabei vermeidet die Malerin laute Kontraste und Konfrontationen, bewegt sich vielmehr im chromatischen Spektrum satter Rot-, Blau- und Violett-Töne, nicht ohne durchdringende Akzente, wie in einem lichten Grasgrün. Solche Modulationen erinnern an die Versuche eines Paul Klee mittels Farbklängen und Farbfeld-Kompositionen Musik-analoge Wirkungen zu erzeugen.

Eine solche farbrhythmische Wirkung ist auch den Bildern von Marlene Nix nicht abzusprechen. Unverkennbar der Wille zur farblichen Harmonie. Nicht allein das Raster, auch die vertikale Reihung von Farbsäulen wird dabei zum Kompositionsmittel. Die Quadratur erweist sich dabei nie als starr - die Farbfelder sind nicht scharfkantig abgegrenzt, scheinen vielmehr an den Seiten leicht auszustäuben, ineinander zu diffundieren.

Das Farbmisaik erscheint als organische Einheit - eine sanft atmende Membran. Eine andere, eher wimmelnde Bewegung suggerieren dagegen die großformatigen Strichballungen und Liniengeflechte im Raum vis-a-vis, die an die vibrierenden Gewebe des in Basel lebenden Amerikaners Marc Tobey erinnern - gleichfalls ja ein entschieden spiritueller, von der Bahai-Religion inspirierter Künstler.

Auch Marlene Nix schuf akribische Farbzeichnungen von filigraner Leichtigkeit mit teils kaligraphischem Schwung. Den bewegte Duktus der mit Pastellstiften geschaffenen Großformate, sämtlich All-overs, übertrug die Künstlerin auch in kleine Formate - auf denen ein mitunter textil anmutendes Buntstiftgewebe pulsiert. Das große Thema ist auch hier die bewegte Farbe. Arbeiten, die, geschaffen in größter innerer Gefasstheit, eine solche Geisteshaltung auch vom Betrachter einfordern. Bilder, die zur Ruhe zwingen, besser: verführen.
Mit Zartheit und Fragilität.

An dieser Stelle sei daran erinnert, dass Marlene Nix ihre Inspirationen vor allem auf Reisen empfing. In der Ferne entstanden auch diese Kleinformate, die so gut ins Reisegepäck passten. Es waren dies immer Reisen zur Kunst - Reisen nach Innen. Wie schreibt sie doch über deren Sinn und Anspruch:
Es ging um das Sehen der Schönheit der Erde, um das Erleben des Reichtums an Formen der Natur, wie der menschlichen Lebensweisen. Es ging um die Erfahrung anderer kultureller Entwicklungen, Denk- und Vorstellungsweisen und nicht zuletzt um die kritische Auseinandersetzung mit Ist-Zusta?nden der Zivilisation zuhause und andernorts.""

Insbesondere vom Geist der japanischen Zen-Kultur fühlte sich die Künstlerin angesprochen, so dass sie bald selbst SaZen zu praktizieren begann. Etwas von der Stille und Gefasstheit ihrer Seshins wohnt vor allem diesen kleinen Arbeiten inne. Marlene Nix, die engagierte Kunstpädagogin, war auch eine vielseitig interessierte Künstlerin.

Sie beherrschte, wie sie an zwei Beispielen sehen, auch meisterhaft die Technik der Radierung und sie liebte es, mit fotografischen Motiven zu experimentieren. In diesen zwei Techniken offenbart sich auch eine Liebe zum Körper-Spiel und zum Ornament: Hände wie Perlhühner, zarte Gebinde erscheinen monumental, Muscheln wie Masken.

Ein poetisches Changieren zwischen Sein und Schein, Grenzen des Körpers und der Imagination. Gerade in diesen hauchfeinen Fotographien offenbaret sich der Erfindungsreichtum, die Phantasie aber auch die Verletzlichkeit dieser viel zu früh verstorbenen Künstlerin, Erst nach Krankheit und Frühpensionierung stellt sich eine Strenge ein, die jedoch nichts von Statik hat.

Bilder als lebendige Organismen und als Mittel zur Meditation - das war ihr Credo: "Die Farbe als geistige Dimension, die in Entsprechung gebrachte werden kann und will - zu Erfahrungen, die sich sprachlicher wie gegenständlicher Darstellung entziehen."

Sie selbst hat ihre künstlerische Arbeit stets als beglückendes Geschenk empfunden. Möge etwas davon auf Sie, die Betrachter übergehen, gemäß der Worten Barnett Newman: "Das Schauen von Farbe ist ein Weg zu metaphysischem Erleben".

Stefan Tolksdorf

Marlene Nix


Die Bilder gehören zu dem umfangreichen, künstlerischen Nachlass von Marlene Nix, die von 1941 bis 2013 im Köln-Bonner Raum lebte und über enge Freunde mit Freiburg verbunden war.